Lehrbuch Nr. 22 Handbuch zur Vermögensabschöpfung: Hinweispflicht nach § 265 II StPO vor Anordnung der Einziehung von Taterträgen
Ein Hinweis auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73 c StGB) ist nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auch dann erforderlich, wenn die ihr zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen bereits in der zugelassenen Anklage enthalten sind.
Autor: JVP | Peter Savini
Das erkennende Gericht muss vor einer Einziehungsentscheidung explizit auf die Möglichkeit einer Einziehungsanordnung hinweisen, selbst wenn die zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen in Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss benannt sind und die Anordnung der Einziehung von Taterträgen als obligatorisch gilt. Erfolgt kein solcher Hinweis, ist § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO verletzt.
Sinn und Zweck des § 265 StPO ist es, den Angeklagten vor Überraschungen zu bewahren. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden, sich hinreichend verteidigen zu können. Dieser Zweck wird am zuverlässigsten dadurch erreicht, dass der Angeklagte auf jede in Betracht kommende Rechtsfolge ausdrücklich hingewiesen wird, sei es in der Anklageschrift, im Eröffnungsbeschluss oder in der Hauptverhandlung. Der aus Fairnessgründen gebotene Schutz des Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen erfordert keine restriktive Auslegung des § 265 StPO, sondern eine umfassende Hinweispflicht. Diese Hinweispflichten in § 265 Abs. 1 und Abs. 2 StPO dienen der Gewährleistung eines fairen Verfahrens und dem rechtlichen Gehör. Eine Differenzierung danach, ob eine Rechtsfolge im Ermessen des Gerichts steht, von einer aktuellen Prognose abhängt oder – wie die Vorschriften über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73, 73 a StGB – zwingend anzuordnen ist, würde dem nicht gerecht.
- Fundstelle: BGH Beschluss vom 22.10.2020 – GSSt 1/20
- Zuständige Pressestelle: BGH
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